Seither ist sie Herrin über die Bekleidungskammer, die gestern von der Filzmühle in Julbach in die Stocksporthalle nach Sarleinsbach übersiedelt wurde. "Die Menschen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, können nichts für ihre Situation. Erst wenn die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt, werden wir ein armes Land", sagt die 50-jährige Landwirtin aus Mistelberg. Mit zirka zehn Helferinnen schaukelt sie den Laden jeden Tag. Am Anfang war es schwieriger, Kleiderspenden zu bekommen, jetzt hat sich das eingependelt: "Nur Handschuhe, Hauben, Schals und Socken sind immer Mangelware – genau wie feste Schuhe."
Neben ihren Aufgaben in der heimischen Landwirtschaft versucht sie so oft wie möglich in der Bekleidungs-Sammelstelle zu sein. Das Kochen hat deswegen wieder die Schwiegermutter übernommen. "Zu Hause haben alle großes Verständnis, weil sie wissen, dass ich helfen will." Natürlich sei die Arbeit eine Belastung: "psychisch mehr als körperlich. Vor allem wenn Babys, Kinder oder Ältere kommen. Auch Schwangere holen sich bei uns Kleidung", erzählt die Mühlviertlerin. Dankbar und froh über die Hilfe seien aber alle, die kommen. "Man muss nur offen auf die Menschen zugehen. Ich komme auch oft alleine und nachts mit vielen Menschen zusammen. Angst habe ich noch nie gehabt. Warum auch?" Kraft schöpft Martina Reischl aus ihrem Glauben: "Ich vertraue auf Gott. Niemand kann wissen, was kommt", sieht sie der Zukunft gelassen entgegen. Obwohl sie gerne hilft und mit Menschen in Kontakt kommt, braucht die Bäuerin an manchen Tagen auch Abstand: "Da will ich dann keine Flüchtlinge sehen, weil ich das Erlebte erst verarbeiten muss. Dann gehe ich halt wieder Kleidung sortieren", erzählt sie. Seit heute ist Martina Reischl nicht mehr in Julbach, sondern in der Stocksporthalle in Sarleinsbach zu finden.